Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel "Nichts gelernt aus S21- angeblich frühe Öffentlichkeitsbeteiligung beim Pfaffensteigtunnel", 609. Montagsdemo am 25.04.2022

„Nichts gelernt aus S21 – angeblich frühe Öffentlichkeitsbeteiligung beim Pfaffensteigtunnel"

Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Ingenieure22 auf der 609. Montagsdemo am 25.04.2022

Redemanuskript

Hans-Jörg Jäkel bei der 609. Montagsdemo am 25.04.2022

Die DB hat im März und April den Gemeinderäten in Leinfelden-Echterdingen und in Stuttgart über den Planungsstand beim Gäubahnausbau berichtet. Ergänzt wurde dies durch eine mehrwöchige Ausstellung in der Filderhalle Leinfelden und das Ganze als frühe Öffentlichkeitsbeteiligung für den Abschnitt Nord – also zwischen Böblingen und Stuttgart – deklariert. Als zentrales Element wurde die nunmehr „Pfaffensteigtunnel“ genannte Verbindung erläutert. Bei diesem Namen habe ich mich gleich an Gottes Segen, der nach Claus Schmiedel über Stuttgart 21 liegt, und an Pfarrer Bräuchle, der den Widerstand gegen Stuttgart 21 verteufelt hat, erinnert. Aber beide sind hier unbeteiligt.

Die Gäubahn, also die Bahnstrecke zwischen Stuttgart und Singen, ist nicht irgendeine Nebenbahn, sondern sie bindet den Süden Baden-Württembergs an die Landeshauptstadt an und bildet als Teil des transeuropäischen Netzes eine wichtige Verbindung zwischen Deutschland und der Schweiz. Nach dem 2. Weltkrieg wurde auf weiten Teilen das zweite Gleis demontiert. Es ist ein Skandal, dass dieser Zustand in den letzten Jahrzehnten trotz vieler Sonntagsreden kaum verändert wurde. Aber es erfolgte ja der Bau der Bodenseeautobahn A81, die insbesondere im südlichen Teil mit 6-streifigem Ausbau zum klimaschädlichen Rasen genutzt wird.

Nachdem die Planungen zur Führung der Gäubahn auf den S-Bahngleisen zum Flughafen immer wieder krachend gescheitert sind, soll jetzt ein Monstertunnel die Probleme lösen. Ob er für die mehr als 11 km Doppelröhre noch einen separaten Rettungstunnel braucht, ist noch nicht abschließend geklärt und würde die Kosten massiv erhöhen. Erst vernachlässigt man diese Strecke jahrzehntelang und dann soll dort der längste Eisenbahntunnel Deutschlands gebaut werden – nur der Fehmarnbelttunnel nach Dänemark wird länger sein. Ist so etwas als ernsthafte Verkehrsplanung zu bezeichnen oder braucht es nur Aufträge für Tunnelbohrmaschinen?

In der angeblich frühen Öffentlichkeitsbeteiligung zu diesem Pfaffensteigtunnel erfolgte dann weder für die Gemeinderäte – die zumindest in Leinfelden-Echterdingen erstaunlich kompetente und kritische Fragen gestellt haben – noch für die Ausstellungsbesucher eine Variantenabwägung. Wer also eine Gegenüberstellung von Alternativen mit Kosten, Zeitplänen, Vor- und Nachteilen erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Wie bei Stuttgart 21 üblich, wurde der Tunnel als einzige Lösung dargestellt. Der Bauleiter des Flughafenbahnhofs meint gar: „Ohne den Pfaffensteigtunnel lässt sich der Deutschlandtakt auf der Gäubahn nicht realisieren“.

Eigentlich ist dieser Tunnel ja ein Projekt des BVWP (Bundesverkehrswegeplans), und da hatte ich auf neue Akteure mit einem neuen Herangehen gehofft. Aber das BMDV (Bundesministerium für Digitales und Verkehr) hat den Bock zum Gärtner gemacht und die Planungen an die Stuttgart-21-Gesellschaft übertragen. Und so treten neben dem Bauleiter auch die Herren Türk und Dr. Bitzer mit den altbekannten Ausflüchten, Halbwahrheiten und Schönfärbereien auf. Diese Probleme haben sicher mit dazu beigetragen, dass Verkehrsminister Hermann in einem Interview zu dieser Gäubahnplanung recht kritisch wird. Dort sagt er z.B.: „Mit der neuen Lösung sind es am Flughafen nur vier Gleise. Das müssen wir prüfen und auf die betriebliche Robustheit im Störfall achten“. Und weiter: „Wie lange der Gäubahnanschluss dann noch dauert, steht in den Sternen. Etwa 10 oder auch 15 Jahre. Man sollte realistisch sein und aus der bisherigen Geschichte von Stuttgart 21 lernen“. Aber statt zu lernen hat
die DB durch ihren Konzernbevollmächtigten Krenz darauf recht angefressen reagiert – mit den bekannten Ausflüchten, Halbwahrheiten und Schönfärbereien.

Minister Hermann hat aber völlig Recht, wenn er in seinem Interview eine ganzheitliche Betrachtung der Gäubahn fordert. In der angeblichen Öffentlichkeitsbeteiligung werden die bahnbetrieblichen Ziele für die Gesamtstrecke zwischen Konstanz, Zürich und Stuttgart nur ganz allgemein mit „Fahrzeitverkürzung“ aufgeführt und statt dessen die Details der Einrichtung von Bauflächen, der Tunnelbauweise usw. erläutert. So zäumt man ein Pferd vom Schwanz her auf. Zu welch schlechtem Ergebnis ein solches Herangehen führen kann, das verdeutlicht der Regionalhalt in Vaihingen. Für viele Millionen Euro wurden dort endlich die nötigen Bahnsteige gebaut. Allerdings halten dort pro Tag und Richtung aktuell nur ganze drei Züge.

Nach Minister Hermann konnte auch unser Mitstreiter Frank Distel ein Interview zum Pfaffensteigtunnel in den Stuttgarter Nachrichten platzieren. Dort konnte er auf sehr gute Weise einerseits unsere Ablehnung des Pfaffensteigtunnels begründen und andererseits auf die unbedingt notwendige Verbesserung der Bahnverbindung zwischen dem westlichen Bodenseegebiet (Konstanz, Radolfzell, Singen) und Stuttgart drängen.

Die Unsinnigkeit der DB-Tunnelpläne zeigt sich auch darin, dass von Goldberg aus die ersten 4 km der Röhren in relativ geringem Abstand zur bestehenden Gäubahntrasse unter einem großen Waldgebiet verlaufen sollen. Es gibt durchaus Alternativen, die den Anschluss entsprechend weit nach Osten verschieben. Aber davon will die DB nichts wissen und auch die Ausstellungsbetreuer zeigten sich darüber erstaunt. Aber wir wollen weder am Pfaffensteig noch weiter östlich in einen Tunnel zum Flughafen abtauchen.
Wir wollen von Konstanz und Zürich auf einer gut ausgebauten Gäubahn über Singen, Tuttlingen, Rottweil, Horb, Böblingen, Vaihingen und dann auf der einzigartigen Panoramastrecke hinunter in den Hauptbahnhof Stuttgart fahren – nicht in eine halbtiefe Haltestation unter einem Betondach oder einen Ergänzungsbahnhof, sondern in unseren oberirdischen Kopfbahnhof. Dass dies auch nach der Umlegung der S-Bahn zur Mittnachtstraße recht einfach möglich ist, das zeigt ein Gutachten der DB, das 2018 für das Verkehrsministerium angefertigt wurde. Für sehr großzügig kalkulierte ein bis zwei Millionen Euro müsste eine kleine Stützmauer bzw. Böschung am Nordbahnhof statisch ertüchtigt werden. Dann kann die Gäubahn ohne Probleme weiter in den Kopfbahnhof fahren. Wen wundert es, dass dieses Gutachten bis vor wenigen Wochen in den Schreibtischen der Beteiligten verschwunden war. Die Stadt Stuttgart hat beim Verstecken sicher gern geholfen.

Unsere Haltung ist also unverändert. Die Züge zwischen Böblingen und Stuttgart sollen nicht in Pfaffensteig-, Flughafen- und Fildertunnel wie eine Rohrpost verschwinden, sondern sie sollen im Böblinger und Sindelfinger Wald und auf der Panoramastrecke: Oben bleiben!