Geld vom Bund für neue Gleise zum Tiefbahnhof

Nachtrag, Ergänzung 13.03.2020
Wie die Stuttgarter Zeitung am 13.03.2020 in ihrer Printausgabe schreibt, plant der Bund außerhalb des Projekts Stuttgart 21 einen zusätzlichen, mehr als 10 km langen Tunnel um die Schnellfahrstrecke Stuttgart-Mannheim direkt mit dem Feuerbacher Tunnel zu verbinden, so dass eine durchgehende Tunnelverbindung vom S21-Tiefbahnhof bis hinter die A81 zwischen Möglingen und Münchingen entstünde. Dabei würden die Stadtteile Feuerbach, Zuffenhausen und Stammheim untertunnelt. Die Kosten werden auf 1 Mrd € geschätzt. Mit diesem Tunnel kann die Fahrzeit zwischen Mannheim und Stuttgart unter 30 Minuten gesenkt werden, was Voraussetzung für einen ITF ist.

Kommentar der Ingenieure22
zum gleichnamigen →Beitrag von Konstantin Schwarz in der Stuttgarter Zeitung vom 8.3.2020

30 Jahre nach den Planungen für Stuttgart 21 beginnt man zu begreifen, dass nicht eigentlich der Bahnhof sondern die Zulaufgleise und die Mischverkehrsstrecken an der Peripherie verantwortlich für den Engpass des Stuttgarter Knotens sind. 30 Jahre lang hat man alle Warnungen der Befürworter eines leistungsfähigen Nah- und Fernverkehrsknotens Stuttgart in den Wind geschlagen und statt dessen mit einem geradezu aberwitzigen, bis heute nicht absehbarem Aufwand an Geld und Strapazierung der Zivilgesellschaft einen Bahnhof in Tieflage gequetscht, der weniger Leistung, weniger Brandschutz, weniger Komfort bietet mit einer für einen derartigen Bahnhof einmaligen, unzulässig hohen Gleisneigung von mehr als 15‰. Man hat Fakten in Beton gegossen und dabei wirklich einen Engpass geschaffen, in den man nun noch mehr Züge quetschen will, indem man endlich anstrebt, die Zulaufgleise auszubauen.

Wir Ingenieure22 sind unbedingt für einen Ausbau der Zulaufgleise, nur so lässt sich der Knoten Stuttgart leistungsfähig in den Deutschlandtakt einbinden und mehr Reisende für das Reisemittel Bahn begeistern. Und nur so lassen sich die ehrgeizigen Klimaziele erreichen. Doch dazu braucht es mindestens Reste des bisherigen Kopfbahnhofs, denn mit dem neuen nur noch 8-gleisigen Hauptbahnhof werden auch nach Ansicht des Verkehrsministeriums schon 2030 die Kapazitätsreserven erreicht sein, nach unserer Ansicht sind sie es schon bei Inbetriebnahme. (Das muss sich ja nicht unbedingt widersprechen).

Wir verstehen nicht, wie einige der glühendsten Befürworter des Tiefbahnhofs, Razavi und Dörflinger, sich nun für diese Erweiterung einsetzen, nachdem sie mitverantwortlich für das angerichtete Unheil eines viel zu kleinen Tiefbahnhofs sind. Zusammen mit dem zwielichtigen Steffen Bilger (man denke nur an die Nord-Ost-Umgehung) rühmt sich dieses seltsame, schwarze Kleeblatt, Stuttgart 21 nochmals leistungsfähiger zu machen.

Ganz offensichtlich hat man all die Gutachten, die zu dem unsäglichen Produkt Tiefbahnhof geführt haben, schlicht vergessen oder vergessen wollen. So war es erklärtes Ziel, einen Bahnhof zu konstruieren, der der eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Zulaufgleise Rechnung trägt, mithin der Kopfbahnhof eigentlich für den damals angestrebten Knoten überdimensioniert war.

Auf diese Weise bestätigen nun selbst die glühendsten Verfechter von S21, dass sie bisher ein falsches Ziel verfolgten.

Im StZ-Artikel heißt es

Die CDU im Landtag vermeldet einen Erfolg für den lange geforderten Ausbau von der ICE-Schnellfahrstrecke aus Mannheim zum Tiefbahnhof. Er ist für den Deutschlandtakt dringend erforderlich.

Der ging doch mit Stuttgart 21 angeblich bisher schon, sogar mit großen Reserven. Was nun?

Und weiter:

Als ein Nadelöhr der Bahninfrastruktur in der Landeshauptstadt gilt der Nordzulauf von Zuffenhausen in den künftigen Tiefbahnhof. Die Engstelle kann durch den Bau eines Tunnels geweitet und durch ein 5. und 6. Gleis eine Voraussetzung für den von der Bahn AG geplanten Deutschland-Takt im Fernverkehr (30 Minuten Fahrtzeit zwischen großen Städten) geschaffen werden. Doch dafür stand bisher kein Geld zur Verfügung. Die Bundesregierung will das nach Informationen der CDU ändern, zur Finanzierung der Kapazitätserweiterung sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Nach einem verbindlichen Beschluss klingt das allerdings nicht. Kann, will, soll, ... Außerdem muss die Fahrtzeit zwischen den großen Städten etwas kleiner als 30 Minuten sein. Die Wirkung von 2 weiteren Ferngleisen auf lediglich wenigen Kilometern macht den Kohl sowieso nicht fett! 

„Der Bund plant die Aufnahme des Tunnels im Nordzulauf in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans“, so die CDU-Landesparlamentarier Nicole Razavi und Thomas Dörflinger am Freitag. Das habe der Berliner Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU) bestätigt. Der Landtag hatte den Schienenausbau im Oktober 2019 einstimmig gefordert. Schon bei der Stuttgart-21-Schlichtung war er im Schlichterspruch im November 2010 unter Punkt 6 als notwendig angesehen worden. Stuttgart 21 werde mit den Zusatzgleisen „nochmals leistungsfähiger“, so die CDU.

Der Bund plant, was sogar der Verkehrsstaatssekretär Stefan Bilger bestätigt habe. Steht das Vorhaben bereits im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans?
War Stuttgart 21 jemals leistungsfähiger als die bisherige Infrastruktur mit dem Kopfbahnhof? Eindeutig nein, ganz im Gegenteil! Da wird auch ETCS nichts ändern, ehrlich!

Weiter meint die StZ

Da der Nordzulauf heute als ausgelastet gilt, könnten die neuen Gleise bei der S-21-Infrastruktur an den aus Bad Cannstatt zum Hauptbahnhof führenden Tunnel angeschlossen werden. Dafür soll beim jetzigen Bau Vorsorge getroffen werden.

Es handelt sich um die sog. P-Option (Grafik der PSU)

Dazu soll im (Fernbahn-)Tunnel Bad Cannstatt etwa in Höhe des Schulzentrums/Wagenhallen eine Tunnel-Abzweigung vom (Fernbahn-) Tunnel Bad Cannstatt in Richtung Feuerbach gebaut werden (P-Option): 

Erweiterungsoptionen für S21
Quelle PSU: https://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/projekt/stuttgart-filder-s21/erweiterungsoptionen/

Zitat PSU:

Mit der P-Option wird der zukünftig am stärksten belastete Zulauf gestärkt, indem ein 3. und 4. Gleis aus Richtung Feuerbach/Zuffenhausen in den Tunnel Bad Cannstatt – dem zukünftig am wenigsten belasteten Zulauf – eingefädelt wird. In diesem Zusammenhang würde die im Rahmen von Stuttgart 21 nicht mehr benötigte Fernbahn-Röhre des Pragtunnels reaktiviert und ausgebaut.

Komisch, laut des DB-Bevollmächtigten für Baden-Württemberg kann doch in den S21-Tunneln ein S-Bahn-ähnlicher Hochleistungsbetrieb mit einem 5-Minuten-Abstand der Züge von und in alle Richtungen gefahren werden. Da muss man sich schon fragen, ob in Zukunft jemals eine so hohe Zugfolge (Fern- und Regionalbahn) in Richtung Norden erforderlich sein wird, die zudem noch einen weiteren, kurzen, aber teuren Tunnel erfordert. Kurz hinter dem Bahnhof Feuerbach in Richtung Norden werden beide Trassen (Tunnel Feuerbach und P-Option) nämlich sowieso zusammengeführt und gehen dann oberirdisch auf einem Gleis pro Richtung weiter in Richtung Zuffenhausen. Einzig und allein bei der nicht auszuschließenden Gefahr von kurz- oder langfristigen Tunnelsperrungen (hier des Tunnels Feuerbach) egal aus welchem Grund könnte die P-Option helfen, die Strecke Hauptbahnhof - in/aus Richtung Nord weiter zu bedienen, ohne Umleitungsstrecken wie z.B. die Schusterbahn benutzen zu müssen. 

Und weiter schreibt die PSU:

Alle drei Optionen sind in der Planung von Stuttgart 21 bereits berücksichtigt. So werden beim Bau der neuen Fern- und S-Bahn-Tunnel von Bad Cannstatt insgesamt vier unterirdische Abzweigbauwerke gleich eingebaut, an die später die neuen Strecken ohne längere Betriebsunterbrechungen angebunden werden können. Darüber hinaus liegen die vier aus Bad Cannstatt kommenden neuen Tunnelröhren in diesen Abschnitten auf unterschiedlichen Tiefenniveaus, damit in verschiedenen Richtungen fahrende Züge ohne Behinderungen über- und untereinander hinweg geführt werden können.

Zusätzliche Tangentialstrecken wie z.B. die direkte S-Bahn-Verbindung zwischen Bad Cannstatt und Feuerbach (T-Spange) sind sehr zu begrüßen und man muss sich fragen, wieso das eine Option sein muss und nicht gleich realisiert wird.
Das von der Politik adressierte Problem, nämlich die Einführung/Verzweigung der Schnellfahrstrecke im Langen Feld zwischen Zuffenhausen und Kornwestheim in die Bestandsgleise löst die P-Option überhaupt nicht. 


Aus OpenRailwayMap


Beim roten Kreis befindet sich die Abzweigung der Schnellfahrstrecke Stuttgart-Mannheim (Strecke 4080) von der Bestandstrecke 4800. Rechts davon die Schusterbahn, der wir nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 als zwingend notwendiger Umleitungsstrecke für die störanfällige Tunnelspinne noch eine große Zukunft voraussagen.